Clowns in Therapie
und Pflege

 

 

Clownbesuche im Seniorenheim

 

Eine Konzeption von

Christine Weber

 

 

 

Die aufbauende Wirkung des Humors

 

„Lachen ist die beste Medizin“, so heißt es schon im Volksmund. Lachen tut gut. Manche Menschen lachen am liebsten mit Freunden, andere genießen auch Situationen, wo sie mit wildfremden lachen können. Lachen verbindet, baut Hemmungen und Ängste ab. Verfahrene Situationen können durch ein Lachen entschärft werden. Im Lachen fühlen wir uns wohl mit uns selbst und mit den anderen. Wenn Menschen zusammen lachen fühlen sie sich gegenüber den Gefahren des Lebens gefeit.

 

Humor kann sehr verschiedene Gesichter haben, er kann laut und deftig daher kommen oder sehr fein, behutsam und leise sein. Jeder Mensch hat seine eigenen Szenen und Witze, über die er lachen kann. Schauen mehrere Menschen zusammen eine Komödie an, so lacht der eine eher beim Wortverdrehungsspiel, der andere, bei „Unfällen“, der dritte bei intellektuellen Aphorismen und der vierte über saftige Missgeschicke. Humor kann eingeübt sein, wie bei Bühnenclowns oder aber spontane Situationskomik.

 

 

 

Das Lachen im Altenheim

 

Alte Menschen bekommen im Heim optimale pflegerische und medizinische Versorgung. Sie sind nicht allein und es wird viel für sie getan, damit sie sich wohl fühlen. Meist ist das Seniorenheim der letzte Lebensabschnitt für alte Menschen. Viele sterben dort.

Bis der alte Mensch aber stirbt hat er sich noch mit etlichen „kleinen Toden“ , und Verlusten auseinanderzusetzen. Freunde und Verwandte sterben. Jüngere Angehörige sind oft sehr durch Arbeit und Familie eingespannt. Besuch wird zur Seltenheit. Der alte Mensch verliert nicht nur seine soziale Heimat, sondern durch den Umzug ins Heim auch den Ort und die Umgebung, die meist lange Zeit für ihn Heimat war. Er hat keine „Lebensaufgabe“ mehr und verliert seine soziale Anbindung und läuft Gefahr zu vereinsamen.

Hinzu kommen noch die Verluste geistiger und körperlicher Art, die oft zu schmerzhaften, auch schambehafteten Situationen führen.

Die Sinne, als Kanäle, die uns mit der Welt verbinden werden schwächer, v.a. das Sehen und das Gehör lassen nach. Der Mensch zieht sich immer mehr in sich selbst zurück.

 

 

 

Der Clown im Seniorenheim

 

Der Clown versucht, in diesem schwierigen Feld einer ernsten, oft leidbelasteten Situation, Ablenkung und Erleichterung zu schaffen. Er möchte ein wenig Farbe und Lebensfreude in den Alltag bringen. Es muß nicht unbedingt laut gelacht werden, denn oft sind es die kleinen, berührenden Momente, die den alten Menschen im Gedächtnis bleiben. Um Unsicherheiten abzubauen und eine verlässliche Beziehung entstehen zu lassen sind regelmäßige Besuche wichtig. Manchmal dauert es ein Weilchen bis der Clown die Vorlieben des Einzelnen kennengelernt hat. Oft ergeben diese sich aus deren Biographie. Und dafür muß der Clown manchmal einfach zuhören.

 

 

Die Grundhaltung

 

Da der Clown von außen kommt, erfüllt er keinerlei pflegerische Funktion, sondern kann sich ganz der Wahrnehmung und den Spielangeboten der alten Menschen widmen.

Der Clown im Seniorenheim ist nicht nur im künstlerischen Bereich sondern auch im sozialen Bereich kompetent. Ein hohes Maß an Respekt für die alte Person, für ihre Lebensgeschichte und auch für momentane Eigenheiten ist eine Voraussetzung, um mit ihr in Kontakt treten zu können. Der alte Mensch kann durch ein empathisches und wertschätzendes Spiel da abgeholt werden, wo er gerade ist. Er passt sich dem Wahrnehmungsradius und der Geschwindigkeit seines Gegenübers an. Auch ablehnendes Verhalten wird respektiert. Auch wenn ein Verhalten „normalerweise“ keinen Sinn ergibt, handelt es sich dabei oft um wichtige Verarbeitungsmechanismen, die der alte Mensch braucht, um seinen inneren Frieden zu finden. Der Clown bestätigt ihm das im Spiel und begleitet ihn ein stückweit in seiner Welt.

 

 

Keine Angst vorm Scheitern

 

Clowns leben vom Spaß am Scheitern. Dem Clown fällt zum Beispiel der Name einer alten Dame nicht ein. Er kann daraufhin auch seinen eigenen Namen vergessen, aber er wird irgendeine phantasievolle Geschichte finden, warum das so ist, z.B. die vom Loch im Kopf, durch das immer alle Erinnerungen rausfallen wollen. Aber dafür hat die Clownin ja ihren Hut auf, der hält nämlich die meisten Gedanken fest. „Und außerdem - wenn ich nicht mehr weiß wer ich bin, kann ich ja alles sein!“ Und fröhlich kann die Clownin dann all das spielen, was sie oder auch die alte Dame in ihrem Leben gerne gewesen wären, ob eine Operndiva oder Napoleon. Das Clownsmotto gilt auch hier: „Macht nix“! denn hier kann ein Spiel entstehen und nichts macht der Clown lieber als spielen. Der Clown gewinnt sein schöpferisches Potential gerade aus diesen Pannen, Peinlichkeiten und eigenen Schwächen. Die Kraft des Clowns liegt im Annehmen des Scheiterns als Herausforderung und Aufforderung zum Weitermachen. „Missgeschicke“ verlieren ihre Peinlichkeit im gemeinsamen Lachen. Der Clown muß nicht erwachsen oder gebildet sein und macht mit seiner großen Emotionalität Mut auch die eigene, soziale Maske abzulegen.

 

 

Eh voilà!

 

Im Gegensatz zum oft sehr stark geschminkten Zirkusclown mit den riesigen Schuhen und Perücke tritt der Clown im Seniorenheim eher als dezent geschminkte, skurrile Person auf. Namen, die auf die Herkunft des Clowns schließen lassen sind keine Seltenheit, wie z.B. „Adele Spätzle“ als Schwäbin, die es in den Schwarzwald verschlagen hat und die jetzt versucht, Bekanntschaften zu machen, Freundschaften zu schließen und Land und Sitten kennenzulernen. So kann der Clown sich oft seine eigene Biographie schaffen und damit auch an persönliche Erfahrungen der SeniorInnen anknüpfen. Aber auch die jeweiligen kulinarischen Besonderheiten können miteinander verglichen werden oder es gibt Sprach, Sing- , Benimm- oder Tanzunterricht für den Clown.

So trägt Adele den typischen Schwarzwälder Bollenhut und hat sich auch kostümmäßig echt ins Zeug gelegt, um sich ihrer Umgebung anzupassen. Nur ihr Dialekt passt halt leider gar nicht so recht dazu und der kunterbunte „Schwarzwaldkuckuck“, den sie vorgibt, aus einer Kuckucksuhr befreit zu haben, erstaunt einen echten Schwarzwälder doch sehr.

 

 

Improvisation

 

Improvisation ist die Grundlage des Clownspiels. Der Clown hat im Seniorenheim kein fertiges Programm, sondern entscheidet im Moment, was passend ist. Ob jetzt z.B. in einem Gemeinschaftsraum für die Grundstimmung als auch für jede einzelne Person. Vielleicht passt an einem Tag ein freudig-kraftvolles Auftreten des Clowns, an einem anderen Tag sind auf der gleichen Station eher leise Töne angesagt. Hilfreich ist hier die Kommunikation mit dem Pflegepersonal, um über „Besonderheiten des Tages“ Bescheid zu wissen.

 

Requisiten

 

Eine lustig gestaltete Clownshandtasche kann sehr unterschiedliche Requisiten beinhalten. Diese Requisiten dienen zur Kontaktaufnahme, durch basale Stimulation – Berührung, Düfte auch musikalische Angebote oder bunte Dinge zum sich freuen, kann ein Zugang zum alten Menschen geschaffen werden. Hier gilt es, den bevorzugten Sinn einer Person herauszufinden und ihr dann Reize anzubieten, die ihrer Vorliebe entsprechen. Z.B. liebt eine Dame Blumen. Ihr können Blumen mitgebracht werden, Plastikblumen oder echte, ihre Arrangements auf dem Tisch können bewundert werden und ihre Blumentöpfe, darüber kann dann angeknüpft werden an Erinnerungen- z.B. ein wogendes Mohnfeld soweit das Auge reicht. Es ist Sommer und ein strahlendblauer Himmel spannt sich über das Rot... . Adele schafft solche Bilder und geht auch stellvertretend in die Bilder hinein, „pflückt“ eine Mohnblume und lässt die Dame daran riechen...“ Adele kann hier eine Mohnblumen-Clownsnase aus Schaumstoff aus ihrer Tasche zaubern und der Dame schenken.- Oder sie hat Döschen mit verschiedenen Düften dabei und lässt sie daran riechen. Der Geruchsinn ist ohne den Umweg über den Intellekt eng mit dem emotionalen Zentrum verbunden. Ein Duft kann in andere Welten versetzen und Erinnerungen wecken. Adele´s Tascheninhalt wechselt, es gibt aber auch

 

 

Stammbewohner

 

zum Beispiel:

Die Handpuppe„Kuckuck Hannes“: Er ist ein bisschen bunt geraten und sieht eher aus wie ein Papagei. Adele hat ihn aus einer Kuckucksuhr befreit, weil’s da ja so schrecklich eng ist. Seine neu gewonnene Freiheit genießt der Kuckuck sehr und betrachtet mit Vorliebe die schönen, weichen weißen Haaren alter Damen und Herren als sein Nest. Natürlich fragt er auch nach, ob er darf. Und lässt seinen Auserwählten auch gerne ein Clownsnasenei da. Zum Behüten, Wärmen und ausbrüten, deshalb liebt er auch die warmen Hände der SeniorInnen.

 

Der Elefant Ebi“ ist ziemlich klein geraten, und da er die Eiszeit und ein Stück danach in seiner Höhle verschlafen hat, traf er nach dem Aufwachen nur Hasen, die etwa so aussahen wie er. Von ihnen lernte er das Laufen. Seither hoppelt er fröhlich durch den Schwarzwald und durch die Seniorenheime. Er kuschelt sehr gerne und massiert mit seinen stämmigen Elefantenbeinchen auch mal Arme und Nacken.

 

Handpuppen kommen dem Wunsch nach körperlicher Nähe, sich sorgen um etwas, Zärtlichkeit geben und empfangen nach. Oft werden sie als wirkliche Wesen wahrgenommen und liebgewonnen.

 

Seifenblasen: schön einzubauen in Geschichten vom Schnee, aber auch in Kombination mit Musik. Schaffen eine magisch-staunerische Atmosphäre.

 

Fotos: erzählen etwas vom Hintergrund des Clowns. Adele hat z.B. immer ein Foto von dem gedeckten Geburtstagstisch vom letzten Jahr dabei: Mit Schwarzwälder Kirschtorte und schönem Kaffeegeschirr und Blumen. Wie alt sie ist: Hmmm? Fünfundirgendwas... .

Undsonst packe ich in meinen Koffer: eine Mundharmonika, diverse Gebisse, ein Maßband (zum Messen von Temperatur, Zuständen, Uhrzeit...), ein „Sopraninoalphorn“, die Zauberflöte, diverse Clownnasen, Luftballon...

 

 

 

Die Musik

 

Adele liebt Musik. Sie spielt verschiedene Instrumente – von der Flöte bis zum Horn und sie singt furchtbar gerne. Ihr Repertoire umfasst Volkslieder, alte Schlager, auch Schlaflieder und Kinderlieder.

Lieder bringen Freude, Licht und Trost. Sie schaffen Zugang zu verschütteter Lebendigkeit und Emotion. Im Singen, Schunkeln, Tanzen kann sich der alte Mensch als aktiv erleben und sich mit dem Rhythmus und den Melodien vergangener Zeiten verbinden.

Singen regt dazu an sich zu bewegen. Gemeinsames Singen bringt die Menschen zusammen. Jahreszeitliche Lieder helfen gerade verwirrten Menschen zur Orientierung. Die Lieder werden nicht einfach vorgesungen, sondern ins Spiel integriert, z.B. wird der Flug des Handpuppen-Kuckucks mit „Wenn ich ein Vöglein wär“... begleitet.

 

 

 

 

 

Zur Geschichte

 

Clowns ordnet man von jeher dem Lachen und der Unterhaltung zu. Die meisten Menschen kennen Clowns vom Zirkus oder als Strassenkünstler. Kinder lieben sie und auch Erwachsenen wird durch das Erscheinen eines Clowns oft ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.

Neu scheint die seit ca. 15 Jahren in Deutschland entstandene Verknüpfung der Narrengestalt „Clown“ mit den Praxisgebieten der Heilung/Linderung.

Daß diese Verbindung bei vielen Kulturen Tradition hat ist weniger bekannt. So gab es vom Mittelalter bis hin ins achtzehnte Jahrhundert auf europäischen Märkten eine Art Symbiose von fahrenden Ärzten/Apothekern und Clowns. Am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts verkleideten sich in Wien Krankenpfleger als Clowns, um Schmerz und Elend zu mindern und die Kinder für einen Moment den grauen Alltag vergessen zu lassen.

Seit dem Film „Patch Adams“ kennen viele den Arzt, der mit der roten Nase sein ganzes Menschsein in seine Heilungsaufgabe einbringt. Eine andere Strömung von Humor in der Heilung entstand durch den amerikanischen Strassenclown Michael Christiansen. Seinem Vorbild des Clowns im Krankenhaus folgend entstanden in der ganzen Welt humorzentrierte Initiativen. Die ersten Einsatzgebiete dieser „Klinikclowns“ waren die Orte, wo das Lachen rar ist und die Krankheit beängstigend, der Tod nah, bei krebskranken Kindern.

Die Idee funktionierte und inzwischen gibt es Klinikclowns in allen größeren Städten Mitteleuropas.

Irgendwann kamen auch Anfragen von Seniorenheimen. Da alte Menschen in vielem Kindern wieder ähnlich werden, wurde das Clownspiel auch hier probeweise eingesetzt und inzwischen profitieren viele Altenheime seit Jahren von den regelmäßigen Besuchen der Altenheimclowns. Behindertenheime und Rehaeinrichtungen sind weitere Einsatzgebiete von Klinikclowns.

 

 

 

 

  " Lach-Wissenschaft "

 

„Gelotologie“ ist die Wissenschaft vom Lachen. Bei dieser Wissenschaft, beschäftigen sich v.a. an amerikanischen Universitäten, an die 200 Psychologen, Immunologen, Neurologen, Mediziner und Linguisten systematisch mit der Wirkung des Lachens.

„Die Wissenschaft hat festgestellt, festgestellt, festgestellt“... dass sich bei Lachen der Gasaustausch in der Lunge um das drei bis vierfache steigert, dass sich der Blutdruck sinkt, der Kreislauf wird angeregt, der Cholesteringehalt reduziert und das Blut gereinigt... Der Anspannungsphase beim Lachen, bei der an die dreihundert Muskeln beteiligt sind, folgt eine Entspannungsphase, deren körperlicher Zustand sehr an den durch Entspannungstechniken erreichten erinnert. Lachen baut Stress und Angst ab. Körperliche Symptome wie z.B. Kopfschmerzen können reduziert werden. Das Stresshormon Cortisol verringert sich und es kommt zur Bildung von Glückshormonen, dem Katecholamin und Endorphin. Gesteigertes Wohlbefinden ist das Ergebnis.

Und, wer viel lacht, lebt länger! Soviel Wirkung also einfach so beim Lachen!!!!!